Meldungen aus dem Landesverband Bayern
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Besuch des ukrainischen Botschafters auf der Kriegsgräberstätte in Neumarkt

Erinnern an den Überfall auf die Sowjetunion vor 80 Jahren in der Oberpfalz

MdB Alois Karl, Botschafter der Republik Ukraine Dr. Andrij Melnyk, stellvertretender Vorsitzender des Bezirksverbandes Oberpfalz im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. Abteilungsdirektor a. D. Richard Glombitza, Landrat Neumarkt/Oberpfalz und Kreisvorsitzender des Bezirksverbandes Oberpfalz Willibald Gailler, Bürgermeister a. D. Arnold Graf (von links nach rechts). Dr. Dario Vidojković/Volksbund

Am 22. Juni diesen Jahres jährte sich der Überfall des nationalsozialistischen Deutschlands auf die Sowjetunion nun zum 80. Mal, das als „Unternehmen Barbarossa“ in die Geschichte einging. Nach Hitlers Vorstellungen und entsprechend der rassistischen und menschenverachtenden NS-Ideologie sollte dieser Feldzug im Osten (wie auch der im Südosten Europas) ganz anders als im Westen geführt werden. Im Osten sollte es vornämlich um die Eroberung von „Lebensraum“ für die Deutschen gehen, die dort lebende Bevölkerung wurde als „minderwertige Rasse“ angesehen und dementsprechend sollte diese auch vernichtet, versklavt und ausgebeutet werden. Was ab dem 22. Juni 1941 dann folgte, war ein rücksichtsloser und schonungsloser Krieg, dem insgesamt zwischen 25 und 30 Millionen sowjetischer Bürger – Männer, Frauen, Kinder, Soldaten – zum Opfer fielen. Auch die Deutschen erlitten dabei immense Verluste, fast 3 Millionen deutscher Soldaten fielen im Osten. Nach dem Zusammenbruch der Wehrmacht im Osten im Sommer 1944 und dem Vordringen der Roten Armee auf deutsches Reichsgebiet Anfang 1945 gerieten dann zumeist deutsche Zivilisten zu Leidtragenden des Krieges, die zu vielen hunderttausenden Richtung Westen fliehen mussten oder vertrieben wurden. Hinzu kamen die im Bombenkrieg und in den heftigen Schlachten, wie um Berlin, ums Leben gekommenen Menschen. Dazu müssen auch die zahlreich sowohl in deutscher wie später auch in sowjetischer Kriegsgefangenschaft umgekommenen Menschen gezählt werden (Historiker gehen dabei von ca. 1,1 Millionen deutscher in sowjetischer Kriegsgefangenschaft gestorbener Soldaten sowie von bis zu 3 Millionen sowjetischer Kriegsgefangener, die in deutscher Kriegsgefangenschaft verstorben sind, aus). Die Deutschen nahmen jedoch während dieses Feldzuges nicht nur sowjetische Soldaten gefangen, sondern verschleppten auch zu Hunderttausenden sowjetische Zivilisten, Männer wie Frauen, als Zwangsarbeiter zum Arbeitsdienst ins Reich, wie es damals im NS-Jargon hieß. Denn die Arbeitsbedingungen für diese Menschen waren alles andere als menschenwürdig, und zahlreiche dieser Verschleppten verstarben während ihrer Fron an Hunger, Krankheit, Entkräftung, Misshandlung (viele wurden auch einfach ermordet).

Wie blutig und verlustreich die Kämpfe im Osten schon von Anfang an waren, zeigen exemplarisch diese Schicksale auf deutscher Seite auf. So kamen aus Regensburg die folgenden Soldaten gleich zu Beginn des Unternehmens „Barbarossa“ ums Leben:

Willi Weitzenegger, 04.06.1920-24.06.1941 (Grodno/Belarus), Georg Keiß, 11.08.1918-25.06.1941 (Rushany/Belarus), Friedrich Jüngling, 28.07.1914-26.06.1941 (Grodno/Belarus), Fritz Tregler, 28.02.1921-27.06.1941 (Ukmerge/Litauen), Michael Gnan, 21.09.1909-30.06.1941 (Rushany/Belarus).

An den obigen Geburts- und Sterbedaten kann man ersehen, dass es sich dabei in der Mehrzahl um junge Männer gehandelt hat. Die Angaben in den Klammern geben die Orte an, an welchen sich deren Gräber wohl noch befinden. Bisher wurde jedoch keiner der oben genannten Kriegstoten auf einen vom Volksbund errichteten Soldatenfriedhof überführt. Bis heute hat der Volksbund an die 2 Millionen im Osten gefallender Soldaten bergen, teilweise identifizieren und auf einen Soldatenfriedhof umbetten können. Die oben genannten gehören jedoch zu den noch gut 950.000 Kriegstoten, die noch nicht gefunden wurden.

In Regensburg selbst kamen während des Krieges auch zahlreiche Zwangsarbeiter, die meisten davon aus der Sowjetunion stammend, ums Leben. Sie wurden nach Regensburg zur Zwangsarbeit in den kriegswichtigen Betrieben, wie Messerschmitt, oder in Betrieben der Holzverzuckerung, im Hafen oder im Heeresnebenzeugamt verbracht. Entsprechend wurde ein sogenannter „Russenfriedhof“ am Hohen Kreuz angelegt, auf dem über 600 Opfer begraben waren. Darunter befanden sich wohl auch an die 100 im KZ Flossenbürg exekutierter Gefangener, wie Historiker annehmen. Sieben Jahre nach Kriegsende, 1952, wurden die Gräber des „Russenfriedhofes“ ausgebettet und auf den dafür eigens angelegten sogenannten Ausländerfriedhof in Neumarkt in der Oberpfalz eingebettet, die heutige Kriegsgräberstätte. In Regensburg selbst erinnerte viele Jahrzehnte nichts mehr an das traurige Schicksal der Menschen aus Osteuropa, bis erst 1988 ein Gedenkstein am Hohen Kreuz eingeweiht wurde, um an das Leid und den Tod dieser Menschen zu erinnern. Hier, am Hohen Kreuz, Ecke Straubinger/Siemensstraße, fand dann auch am 22. Juni 2021 die zentrale Gedenkveranstaltung der Stadt Regensburg statt. Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer dankte dabei vor allem den Mitgliedern des Runden Tisches für Erinnerungskultur der Stadt Regensburg, diesen Gedenkort nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Neben der Oberbürgermeisterin sprachen vor knapp 50 Menschen (darunter auch Schülerinnen und Schüler des BSZ Regensburg Land), die Historikerin Dr. Ekaterina Makhotina, Daria Koslova von der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg sowie der Historiker Rainer Ehm. Als Mitglied im Runden Tisch war für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. der Bezirksgeschäftsführer Dr. Dario Vidojković bei der Veranstaltung vertreten.

Gut einen Monat später fand dann anlässlich des 80. Jahrestages des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion auch auf der Kriegsgräberstätte am Föhrenweg in Neumarkt in der Oberpfalz am 28. Juli 2021 ein Gedenken statt. Hierzu hatte MdB Alois Karl den ukrainischen Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Andrij Melnyk, zu einem Besuch des Wahlkreises Amberg-Sulzbach-Neumarkt eingeladen. Dabei stand auch der Besuch der Kriegsgräberstätte auf dem Programm. Seitens des Bezirksverbandes Oberpfalz im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge begrüßte den Botschafter stellvertretend für den Bezirksverbandsvorsitzenden Regierungspräsident Axel Bartelt Abteilungsdirektor a. D. Richard Glombitza, zusammen mit dem Neumarkter Landrat und Kreisvorsitzenden des Bezirksverbandes Oberpfalz Willibald Gailler. Glombitza verwies in seiner Rede auf das Schicksal der vielen auf dieser Kriegsgräberstätte ruhenden Toten (über 5000 zumeist aus Ost- und Südosteuropa stammend) und erwähnte namentlich für die vielen Opfer Wera Aniptschenko, Ostarbeiterin aus Charkow (08.10.1918-23.03.1943), Lidia Beljawskaja, Ostarbeiterin aus Kiew (23.03.1908-22.12.1944), den Ostarbeiter Viktor Danowenko aus Dnepropetrowsk (10.10.1921-16.10.1943) sowie den Kriegsgefangenen Iwan Antonon aus Odessa (o. A. 1918-10.05.1945). Glombitza unterstrich dabei die Arbeit des Volksbundes für Frieden und Völkerverständigung, die gerade auch in der heutigen Zeit von größter Wichtigkeit sei. Dr. Melnyk bedankte sich beim Volksbund für dessen Mühen, für die Kriegstoten eine würdige Gräberstätte zu errichten und sie nicht dem Vergessen anheimfallen zu lassen. Es gebe viel zu tun auf dem Weg zur Aussöhnung beider Völker und das gemeinsame Gedenken der ukrainischen Kriegstoten des Zweiten Weltkrieges sei hierfür „ein wichtiges und berührendes Zeichen“. Im Anschluss an ein stilles Gedenken und dem Ablegen von Kränzen zu Ehren der Kriegstoten überreichte Bezirksgeschäftsführer Dr. Dario Vidojković dem Botschafter zum Abschied eine Präsenttasche des Volksbundes.
Text: Dr. Dario Vidojković