Meldungen aus dem Landesverband Bayern
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Nach 80 Jahren das Verwundetenabzeichen erhalten

Ottfried Schmidt ist seit 50 Jahren Mitglied beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge

Die Vertreter des Bezirksverbandes Oberpfalz, Dr. med. Theophil Schindler (links), Oberstarzt d. Res., und der Bezirksgeschäftsführer Dr. Dario Vidojković (rechts) besuchten Ottfried Schmidt (Mitte) in Velburg und überreichten ihm das Verwundetenabzeichen sowie Präsente des Volksbundes für seine 50-jährige Mitgliedschaft beim Volksbund. Volksbund

Am vergangenen Freitag hatte für Ottfried Schmidt ein langes Warten endlich sein gutes Ende gefunden. Er erhielt nach 80 Jahren das Verwundetenabzeichen, das ihm eigentlich schon am 27. Juli 1944 hätte verliehen werden sollen. Aber da gab es keines mehr. Wie nun Schmidt letzten Endes doch noch an das Abzeichen gelangte, ist eine interessante Geschichte und auch eng mit dem Volksbund verbunden. Dazu konnte er auch viel über seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg erzählen.

Ottfried Schmidt, Altbürgermeister von Velburg und in Hemau im Landkreis Regensburg aufgewachsen, Jahrgang 1925, wurde 1943 als damals 18-jähriger für den Dienst in der Wehrmacht eingezogen. Zuvor noch erlebte er aus der Ferne in Hemau den ersten alliierten Luftangriff auf Regensburg, am 17. August 1943. Es war gegen Mittag, so Schmidt, als er und seine Kameraden plötzlich über sich Dutzende alliierter Bomber hinwegfliegen sahen, in Richtung Regensburg. Ihm war klar, dass die dortigen Messerschmitt-Werke das Ziel waren. Bald schon hörte er „Wumm, Wumm, Wumm“, die Detonationen der Bombeneinschläge hallten bis nach Hemau nach. Bei Hemau wurde sogar ein alliierter Bomber von der Luftwaffe abgeschossen. In den Messerschmitt-Werken arbeitete damals auch ein Cousin von Schmitt, der den Luftangriff (und auch den Krieg) überlebte. Über 400 Menschen jedoch, darunter zwischen 70 und 91 Auszubildende im Alter von 15 und 16 Jahren, überlebten den Tag nicht.

Nach mehrmonatiger Ausbildung, u. a. im Lager Aulenbach, ging es zur Vereidigung nach Schlan bei Prag. Schmidt erklärt, dass er soweit eine sehr gute Ausbildung genossen hatte, vor allem als MG-Schütze. Er erinnert sich, wie er sich einmal aber später in der Hitze des Gefechtes beide Hände verbrannte, als er das heißgewordene MG-Rohr ohne Asbesthandschuhe auswechseln wollte. Die Lagerzeit selbst war ihm weniger gemütlich in Erinnerung. Er war während der Grundausbildung auch auf dem Truppenübungsplatz in Baumholder untergebracht, das in Schmidts Erinnerung damals nicht befestigt, offen und sehr dreckig war, vor allem, wenn es geregnet hatte (heute wird es von der US-Armee genutzt). Interessant ist, dass zu dem Zeitpunkt, im Sommer 1943, während seiner Ausbildung Schmidt und seine Kameraden in Lastenseglern Sitzübungen absolvieren mussten, um sich für eine Invasion gegen England vorzubereiten. Offensichtlich hegte man in der Wehrmachtsführung immer noch den Gedanken an eine Invasion der britischen Inseln, obwohl das Unternehmen „Seelöwe“ mit der gescheiterten Luftschlacht um England vom Sommer 1940 bis Anfang 1941 eigentlich nicht mehr auf der Tagesordnung stand. Ende April/Anfang Mai 1944 wurde Schmidt nach Frankreich in die Normandie geschickt. Nur wenige Wochen später erfolgte dann die Landung der Alliierten eben genau in der Normandie, die Invasion bzw. der D-Day, wie es hieß, lief an und sollte die Wende im Westen im Zweiten Weltkrieg bringen.

Schmidt ist mit 98 Jahren (im November wird er 99) ein noch immer sehr rüstiger Mann, der sich als Kriegsteilnehmer und damit als einer der noch letzten lebenden Zeitzeugen sehr genau an die damaligen Ereignisse erinnern kann. So berichtet er, dass man zwar damals nicht laut über eine bevorstehende mögliche Invasion der Alliierten gesprochen habe, das sei unter Strafe verboten gewesen (es wäre u. a. als Wehrkraftzersetzung drakonisch geahndet gewesen), aber es sei eigentlich unter den Soldaten dies kein Geheimnis gewesen. Vor allem nicht dann, als er und seine Kameraden angewiesen wurden, die sogenannten Rommelspargel, also Luftlandehindernisse, auf dem Boden im Hinterland zu errichten, um damit Lastenseglern das Landen unmöglich zu machen oder diese beim Landen damit zu zerstören. Als die Alliierten dann erfolgreich gelandet waren, war Schmidt allein an der materiellen Überlegenheit der Alliierten bereits zu diesem Zeitpunkt klar gewesen, dass der Krieg für Deutschland verloren sei. Er erinnert sich, dass in seiner Einheit Offiziere, die zuvor an der Ostfront gekämpft hatten, sich laut darüber beklagten, dass es auf deutscher Seite keine genügende Flugabwehr, keine Panzer und andere Waffen gäbe, um die Invasion erfolgreich zurückzuschlagen. Sie hätten immer wieder gefragt, wo sei die Flugabwehr. Dass es bald aus sei, merkten Schmidt und seine Kameraden auch daran, dass es seitdem nur noch rückwärtsging.

Um die Jahreswende 1945 herum erlitt Ottfried Schmidt erneut eine Verletzung, und das Kriegsende erlebte er somit in einem Heidelberger Lazarett, wo er schließlich in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet. Damit war der Krieg für Schmidt vorbei, er hatte überlebt. Sein Vater Martin und seine beiden Brüder Quirin und Erich aber überlebten den Krieg leider nicht. Quirin fiel schon 1943, er stürzte ab, von Erich kam 1945 die letzte Meldung aus dem damals zur Festung erklärten Frankfurt/Oder. Quirin wurde damals in einem Familiengrab bestattet, die anderen Gräber hat man bis heute nicht gefunden bzw. sein Bruder Erich und sein Vater Martin gelten als vermisst. An die Kriegsgefangenschaft erinnert sich Schmidt ebenfalls lebhaft. Da er nicht so schwer verwundet war, wurde er als Essenholer eingeteilt. In der US-amerikanischen Gefangenschaft kam er das erste Mal mit Dosenmilch und Orangenmarmelade in Berührung, die es so bisher nicht gab, aber sehr lecker waren.

Im August 1945 wurde Schmidt aus der Gefangenschaft entlassen. Er war bedrückt, vor allem wie es nun weitergehen solle, aber auch natürlich froh, dass der Krieg endlich aus war und er überlebt hatte. Sein späterer Lebensweg führte ihn als geschäftsführenden Beamten von Hemau nach Velburg, wo er von 1966 bis 1990 der 1. Bürgermeister gewesen war. Aufgrund seines jahrzehntelangen Wirkens für die Stadt Velburg wurde er zum Altbürgermeister und Ehrenbürger ernannt, außerdem ist er Träger der Bürgermedaille in Gold.

Doch eines ließ Schmidt all die Jahre nicht los, nämlich die Sache mit dem Verwundetenabzeichen. Das erste Mal wurde Schmidt während der Kämpfe in der Normandie, im Juli 1944, in der Nähe von Caen, verwundet. Er erlitt einen Schulterschuss durch ein Explosivgeschoss. Die zweite Verwundung erlitt er später ebenfalls an der Westfront im Februar 1945 bei Metz am linken Unterschenkel durch ein Schrapnell. Der Splitter, den er bis heute aufbewahrt hat, steckte in seinem Stiefel fest. Außer dem Besitzzeugnis über das Verwundetenabzeichen von 1944 und den Splitter hatte Schmidt aber nichts mehr erhalten, die Jahre vergingen.

Da er in diesem Jahr schon seit 50 Jahren Mitglied beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. ist, erhielt er eine entsprechende Dankesurkunde seitens des Volksbundes. Dies nahm Schmidt zum Anlass, dem Volksbund zu schreiben und die Anfrage zu richten, ob nicht der Volksbund ihm dabei vielleicht helfen könne, nach nun 80 Jahren das Verwundetenabzeichen zu erhalten. Die Anfrage aus Niestetal wurde zum Landesverband Bayern und dort von München aus zur Bezirksgeschäftsstelle in Regensburg weitergeleitet, in deren Zuständigkeit Velburg liegt. Da hat es sich glücklich gefügt, dass der Kreisvorsitzende der Stadt Regensburg und Oberstarzt a. D. Dr. med. Theophil Schindler ein Experte in Ordensfragen ist (er ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Ordenskunde e. V.), und auch über eine entsprechende Sammlung verfügt, in der sich auch das Verwundetenabzeichen in der Fassung ab 1957 befand.

Dieses entbehrte er sehr gerne, um es Ottfried Schmidt zu schenken und ihm damit endlich zum so langen ersehnten Verwundetenabzeichen zu verhelfen. Gemeinsam mit dem Bezirksgeschäftsführer für die Bezirksverbände Oberpfalz und Niederbayern, Dr. Dario Vidojković, besuchte er Schmidt bei sich daheim in Velburg. Dr. Vidojković dankte seitens des Bezirksverbandes Oberpfalz Ottfried Schmidt nochmals für seine jahrzehntelange treue Unterstützung der Arbeit des Volksbundes und gratulierte ihm zu der 50-jährigen Mitgliedschaft mit einem Dankeschönkalender des Volksbundes, der passenderweise genau an die Landung in der Normandie vor 80 Jahren erinnert, sowie einem Volksbund-Geschichtenband und dem Vergissmeinnicht-Anstecker des Volksbundes. Ein zwar tragischer Anlass (die Verwundung im Krieg), aber, wie Dr. med. Schindler bilanzierte, doch ein hochinteressanter und bewegender Tag ging damit zu Ende! 

Text: Dr. Dario Vidojković